Ich war 2 ½ Jahre in der Forensik in der geschlossenen Psychiatrie, da musste ich raus. Es war eine Erleichterung, von der Forensik rauszukommen in eine Einrichtung. Grundsätzlich hat mich der See interessiert, ich habe mal Leistungsschwimmen gemacht. Und das andere war die S-Bahn-Nähe. Von Herrsching hat man Anschluss nach München. Die Idee war, dass ich mir später eine Wohnung in München suche.
Das Alkoholthema kam schleichend in mein Leben. Ich habe in der Gastronomie gearbeitet, und da steigerte sich der Konsum. Vor der Forensik war ich dann ein Drehtürpatient: Klinik – wieder raus, wieder trinken – Klink – wieder raus usw.. Jetzt bin ich 3 Jahre trocken. Der Alkohol ist immer noch präsent, meistens so am Geburtstag, an Weihnachten, Silvester etc., aber ich merke, dass schon die Zeit eine Rolle spielt. So’ n richtigen Suchtdruck, der dauert ungefähr 20 Minuten, wo ich nicht mehr weiß, wie heiße ich, wer bin ich, was soll ich, den habe ich schon seit 2 Jahren nicht mehr. Ich habe gesagt, wenn wirklich so ein Suchtdruck wieder kommt, dann geh ich barfuß zum Ammersee, Winter wie Sommer, um da rauszukommen aus der Geschichte. Hier ist immer jemand da, man kann reden. Klar, ich kann mir ‘ne eigene Wohnung suchen, aber da bin ich weit entfernt. Es ist immer dieses Feiern, es will gefeiert werden.
Jetzt bin ich seit 9 Monaten hier. Ich bin hier zu Hause, mir gefällt’s, ich fühl mich wohl, ich kenn die Leute. Man hat die Möglichkeit, sich persönlich besser zu entwickeln, Hobbies nachgehen, was Neues entdecken. Ich habe mich jetzt für eine Fotogruppe angemeldet. Und ich habe mich als Heimbeirat vorschlagen lassen. Das ist eine spannende Geschichte, erstmal zu sehen, welche Rechte habe ich, welche Pflichten, was kann man irgendwie bewegen. Man sitzt da praktisch zwischen der Heimleitung und den Bewohnern, und das unter einen Hut zu kriegen, das finde ich spannend. Das gibt auch mehr Selbstbewusstsein, man gibt sich mehr Mühe. Ich glaube auch immer, es ist so wichtig, dass man seinen Humor nicht verliert. Man kann beleidigt sein oder verärgert, aber man kann es auch mit einem Blinzeln oder einem Schmunzeln nehmen. Alles steht und fällt jedoch mit dem Trockenbleiben. Wir haben hier jeden Tag Gespräche über Alkohol, aber man sieht auch, das ist nicht der richtige Weg. Vor der Klinik oder der Forensik, das war kein Leben mehr. Ich habe meine Sucht befriedigt – fertig! Und jetzt fange ich an, meine Fühler auszustrecken und schauen, was gibt mir Freude, was gibt mir Halt, was ist da noch in dem Leben? Ich mache gerne viel Blödsinn und bringe die Leute zum Lachen. Theater? – Ja, das habe ich schonmal gemacht in der Forensik. Es ist toll, aus sich rauszugehen und zu erleben, wie sich das alles entwickelt. Da ist viel körperlicher Austausch, sprachlicher Austausch. Es ist eine Bereicherung, auch mit Bastelgruppe, mit Fotografie, mit Yoga.
Ich habe mal Arzthelferin gelernt. Da ist es halt so, Sie kommen da nie pünktlich raus. Da kommt ein Notfall, da können Sie nicht einfach gehen. Und dann haben Sie es immer mit Schwerkranken zu tun, und damit bin ich nicht zurechtgekommen. Ich habe dann Zeitungen ausgetragen bei Regen und Schnee, das war schon eine Ernüchterung.
Ich bin jetzt 58, ich bin in Rente, von daher habe ich keinen Druck. Was ich mir überlegt habe, ich habe keine Freunde, keine Verwandten, ich könnte mit meiner Erfahrung, meinem Wissen einem Kind oder einem Erwachsenen helfen; jemand begleiten, der Hilfe braucht, einen Weg zeigen, was alles möglich ist. Ich würde das ehrenamtlich machen. Mir hat mal eine Frau am Jobcenter gesagt, „Sie haben eigentlich ihr ganzes Leben mit Menschen gearbeitet“, ja, und das könnte man nutzen. Eine Aufgabe finden, für mich einen Weg finden, auf dem ich für etwas wichtig bin, für andere.